Mittwoch, 15. Dezember 2010

Looking at the sky

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Architekturtheorie - das elementarste Fach und die Grunddisziplin jedes Architekten - bei weitem nicht so umfangreich ist, wie die Dozenten sie mir weismachen wollen (oder sie sagen nicht alles). Wenn ich durch die Strassen von Bern, Burgdorf, Biel oder einer anderen Schweizer Stadt gehe, so habe ich den Eindruck, dass die Entwurfstheorie jene Disziplin ist, welcher die meisten Architekten/innen nicht allzu grosse Bedeutung beimessen. Wenn wir werdenden und praktizierenden Architekten so stolz auf unsere (ungeschützte) Berufsgattung sind, warum wird dies dann nicht mehr inszeniert? Es wäre doch nur logisch, dass wenn wir unsere Berufsethik ernst nehmen würden, wir die Entwurfstheorie in den Städten auch umsetzen würden. Konkret würde dies bedeuten, dass prinzipiell jedes Gebäude gut sein muss, da jeder ausgebildete Architekt fähig ist (sein sollte), gute Architektur zu machen. Dies würde wiederum darauf hinauslaufen, dass uns gute Architektur nicht mehr auffallen würde (weil alle Architektur gut wäre), sondern nur die Schlechte, also jene, bei welcher die Entwurfstheorie nicht beachtet wurde. Der Umstand, dass dies momentan nicht der Fall ist, lässt nur einen Schluss zu: Die Architektur in den Schweizer Städten ist gegenwärtig nicht gut genug. Daran sind nicht nur die Architekten/innen schuld. Sondern auch die konservative Schweizer Haltung gegenüber dem Neuen, welche sich in den zahlreichen Baureglementen widerspiegelt.
Trotzdem kann dies für keinen Architekt/in eine Entschuldigung sein, sich bei der Planung von Gebäuden der Modeströmung unterzuordnen. Mit Mode meine ich jene Elemente, die in der Architektur gerade hip sind (also keine Baustile). Da sich die Architektur viel zu fest vom Design verführen lässt, ohne zu fragen was eigentlich gutes Design ist, geschieht dies zu häufig. Und diese Frage nach gutem Design liese sich mit der Entwurfstheorie klären. Wenn man sie denn entsprechend ausbauen würde! Dies ist durchaus eine ernüchternde Sichtweise der Dinge. Doch versuche ich im Grunde nur, mir selbst zu erklären warum der Zustand so ist, wie er eben ist.

Als Student, der sich nur in desem Blog zu melden hat und dabei darauf achten muss, niemanden auf die Füsse zu treten (obwohl ich das aus meiner natürlichen Begabung dafür wahrscheinlich so oder so mache), habe mir meine eigenen Ergänzungen gemacht: Qualität, Zeitlosigkeit, Ehrlichkeit, Sinnlichkeit und Logik. So verbleibe ich und schaue aus dem Fenster, betrachte den Himmel und warte auf das, was mir in der Entwurfstheorie noch vermittelt werden soll. Denn wenn ich es vom jetzigen Stand reflektiere, dann muss dies noch sehr viel in sehr wenig Zeit sein.

2 Kommentare:

Cajetan Piaget hat gesagt…

Toller Beitrag zu einem nicht ganz un-brisanten Thema. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Architekturtheorie ein elementares Fach des Entwurfsarchitekten ist. Nur gibt es eben verschiedene Architekten und es gibt auch noch weitere Mitspieler auf dem Feld. Auch stellt man fest: Jedem Architekten seine Präferenzen, was das Artefakt Haus zu liefern und zu leisten hat, und natürlich, wie es formal daher kommt und welche Rolle es in der Gesellschaft einnimmt.
Lieber wäre mir, jedem Architekten seine zufriedene Kundengruppe. Mir scheint, dass die Gilde der Architekten/innen sich teilt in diejenige, die eine architektonisches Gut als Bestandteil des allgemeinen Kunst- und Kulturraum sehen, dabei aber oft den eigentlichen Zweck, nämlich den Kauf oder die Miete einer Dienstleistung resp. eines Produktes durch einen zahlenden Kunden, vernachlässigen – und diejenigen, die ein architektonisches
Gut weniger als Kunst- und Kulturraum, sondern vielmehr als Investitionsobjekt, evlt. sogar als Spekulationsobjekt, sehen und den zahlenden Kunden auch wieder nicht so recht berücksichtigen mögen. So richtig für den Endkunden zu produziert (um am Markt überleben zu können) tut/muss niemand. Ein mir kürzlich über den Weg gelaufenes Beispiel, wie sich das aktuelle Verhältnis von uns Architekten zu unseren Endkunden präsentiert, ist die im Hause wie eine Bibel, rumgereichte Publikation von Zeugin/Gölker „Wenn Zielgruppen ernst genommen werden“, Verlag Lesebrille Roland Müllener. Man muss in diesem Buch schon sehr genau Hinschauen, mal abgesehen von der zweiten Doppelseite (eine mehr oder weniger vollständigen grafischen Aufarbeitung der Zielgruppenbedürfnissen und den dazugehörigen strategischen Überlegungen) um auf den restlichen Seiten nochmals das Wort Zielgruppe oder ähnliches zu finden. Ich habe mich ernsthaft darum bemüht bei den Kollegen und Kolleginnen eine Antwort zu finden, weshalb das Buch eine solche Sensation darstellt (ich überspitze jetzt ein wenig) und konnte, nicht ganz überraschend, keine überzeugende Antwort darauf finden (am Inhalt liegt es ja nicht, dazu ist er zu Bescheiden im Vergleich zu Marketingüberlegungen andere Branchen). Böse Zungen könnten behaupten, es ist deswegen ein archetektonisch relevanter Leckerbissen (zwar eher ein Leckerbissen aus dem Bereich der Vorspeisen und noch weit weg von einem deftigen Hauptmahl, aber immerhin) weil das Thema der Zielgruppe und das Thema der Befriedigung der End-Kundenbedürfnisse, das erste Mal, in Wort und Schrift auf dem Tisch liegt.
So, um den Bogen zu obigen, nachvollziehbaren Blogeintrag zu schliessen: Ja, Architektur- und Entwurfstheorie ist wichtig, sie sollte aber, um der Realität und der Gesellschaft als Ganzes Rechnung zu tragen, vermehrt den öffentlichen Raum auch aus marktwirtschaftlichen Sicht (Stichwort: Preis-/ Leistungsverhältnis) und Sicht des Marketings (Stichwort: Kundenbedürfnisse) sehen und Design, also der formale Aspekt des Bauens als Mittel zum „guten“ Produkt nutzen, so wie das in anderen Branchen für eine Unternehmung für eine Unternehmung und deren Existenz relevant ist.

profarch hat gesagt…

"Und diese Frage nach gutem Design liese sich mit der Entwurfstheorie klären. Wenn man sie denn entsprechend ausbauen würde!"
Heisst das also, mehr Design in der Entwurfstheorie?
Mehr "was ist gut" als "wie mache ich es - überhaupt, und vielleicht auch - gut"?

Die Kriterien guter Architektur, wie sie vorgeschlagen werden, "Qualität, Zeitlosigkeit, Ehrlichkeit, Sinnlichkeit und Logik" sind durchaus praktikabel.
Bravo zum ersten Blog, kritisch und sehr anregend.