Also das hätte ja während dem Studium auch mal jemand erwähnen können, dass dann irgendwann mal alle Semester durch sind, und man nach der Thesispräsentation sein Schäftchen an der BHF räumen muss. Ein schwieriger Moment für jeden Studierenden. Der Berufseinstieg; ein nicht ganz einfaches Thema – schliesslich kommt der Berufsausstieg erst 40 Jahre später und man will sich ja die Zeit dazwischen so angenehm wie möglich gestalten. Als unser Vorgängerjahrgang auf einmal nicht mehr da war (und deren Schäftchen leer), ist mir langsam bewusst geworden, das es auch bei uns nicht mehr lange geht. Einer dieser Vorgänger war es denn auch, der uns zum
Hobsons eingeladen hat – ein Absolventenkongress in Zürich, bei dem sich Firmen präsentieren und offene Stellen anbieten. Zwar war bei diesem Kongress nur wenig für unsere Brache dabei, aber das Thema Berufseinstieg war lanciert. So habe ich bereits im fünften Semester damit begonnen, meine Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen. Ich war der Meinung, dass ich noch reichlich früh dran war, aber ich wollte ja parat sein, um nach dem Abschluss direkt loslegen zu können. Es kam anders. Das erste Stelleninserat las sich etwa so wie ein Auszug aus unserem Stundenplan. „Das wird ja ein Kinderspiel“, dachte ich. „Ich bin perfekt für diesen Job geeignet.“ Tja, das wäre ich auch gewesen, wenn ich zehn Jahre älter wäre. So habe ich noch die eine oder andere Absage erhalten. Als wir mit der Thesisarbeit begannen, war es mir wichtiger, mich voll darauf zu konzentrieren und der Berufseinstieg ist ziemlich in den Hintergrund gerückt. Und dann war er auf einmal da: Der Tag an dem ich das Schäftchen räumen musste. Für mich war es besonders hart, denn ich habe es mit einer Mitstudentin geteilt und das hat natürlich Abschied bedeutet. Das Ende der Schulzeit war definitiv gekommen. Job hatte ich keinen und so hat es für mich als ausserkantonalen auch keinen Grund mehr gegeben, in Burgdorf wohnhaft zu bleiben. Die Wohnung aufzugeben war nochmals ein klarer Schluss. Und in der Zukunft? Nichts. Die kommende Zeit habe ich genutzt, um Bewerbungen zu verschicken. Die erste Schwierigkeit war schon mal die Frage, auf was für eine Stelle ich mich denn bewerben soll. Was will ich? Und was kann ich? Meine Bewerbungen sind allesamt wieder zurückgekommen. Nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch wurde ich eingeladen. Dabei habe ich mich weder regional noch in der Position eingeschränkt. Von Chur bis nach Bern wollte mich keiner als Praktikant und schon gar nicht als Projektleiter haben. Sollte ich wohl mein Foto aus den Bewerbungsunterlagen streichen? Das hat angefangen, deprimierend zu werden. Nach drei Jahren Vollzeitstudium hat mich vor allem auch mein Kontostand darauf aufmerksam gemacht, dass es dringend wird, beruflich Fuss zu fassen. So habe ich bei einem befreundeten Architekten angefangen, als Übergang, bis ich was „richtiges“ gefunden habe. Es war ein Hochbauzeichner Job, in welchem ich die im Studium erworbenen Kompetenzen nicht wirklich umsetzen konnte. Einen Monat habe ich mir vorgenommen – dann habe ich eine Stelle gefunden. Schlussendlich hat es mehr als viermal so lange gedauert. In dieser Zeit ist mir das Beste passiert, was einem Stellensuchenden passieren kann: Ich wurde angefragt, ob ich einen Job machen will. Nur der Arbeitsort war etwas unkonventionell: Indien!
Den Kontakt gab es noch aus BFH-Zeiten. Nach einiger Bedenkzeit habe ich mich entschlossen, den Job anzunehmen. Allerdings begrenzt auf ein halbes Jahr. Diesen Entschluss habe ich nie bereut, und ich bin mir sicher, dass ich von den gemachten Erfahrungen noch viel profitieren werde. Allerdings hat sich mein Berufseinstiegsproblem nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wenn ich zurückkommen werde, beginne ich wieder von vorne.

Mit einem Jahr Verspätung. Und zu einem Zeitpunkt, zu welchem hunderte frischgebackener Architekten in diversen Schulen ihre Schäftchen räumen. Was dann passiert ist, hat wahrscheinlich an Indien gelegen, denn in diesem Land werden Kleinigkeiten zu Riesenproblemen und solche, die unlösbar scheinen, lösen sich praktisch von selber. Im Stellenanzeiger einer Regionalzeitung wurde eine Stelle ausgeschrieben, die etwa meinem Profil entsprach. Meine Familie hat mir das Inserat nach Indien geschickt, ich habe die Bewerbung geschrieben und wieder zurück in die Schweiz gemailt. Ich hatte keine grosse Hoffnung auf Erfolg, denn verschiedene Faktoren sprachen gegen eine Zusage. Aber schon ein Tag später war ich mit dem Chef zu einem Telefongespräch verabredet, was sich gerade als Vorstellungsgespräch entpuppte. Keine Woche später hatte ich den Arbeitsvertrag unterschrieben. Die neue Stelle angetreten habe ich in Chur. Schon nach wenigen Wochen hat sich mein Chef allerdings entschieden, mich im Zweigbüro in St. Moritz einzusetzen, wo ich mich jetzt seit drei Monaten als Bauleiter versuche. So habe ich innerhalb eines Jahres zwei Arbeitsorte kennen gelernt, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Vom Schwellenland Indien in die Schikimikeria des Oberengadins. Von den +25°C des indischen Winters in die -25°C von St.Moritz. An beiden Orten konnte ich vor allem von den Arbeitsweisen profitieren, die ich während des Studiums antrainiert habe. Ich bin der Meinung, dass wir eine gute Grundlage erhielten, um einen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Bei meinem letzen Besuch an der BFH habe ich gesehen, dass die Studierenden neue Schäftchen erhalten haben. Es wäre spannend zu hören, ob es einfacher geworden ist, diese zu leeren.
Jo Groll
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